Wie ich wurde, was ich bin: Eine kreative Schmuck-Designerin
Mit einem Rückblick auf meine Ausbildung begebe ich mich auf Spurensuche nach der Kreativität. Ist sie mir in die Wiege gelegt oder durch jahrelanges Lernen erworben?
Denn wenn man mich im Teenageralter gefragt hätte, wäre ein ganz anderes Bild meiner Zukunft entstanden, als es sich heute zeigt.
Wie ist es gekommen, dass ich mich für den einen Berufsweg entschieden habe?
Von September 1968 bis Juli 1975: Eine glückliche Kindheitserinnerung entstand an einer Hobelbank.
Mein Vater ist ausgebildeter Tischler, der in Berlin vor allem Fenster- und Ladenbau machte. Zu meiner Geburt arbeitet er jedoch schon als Architekt. Deshalb stand seine Hobelbank im Keller.
Und dort bauten wir zusammen zwei Flugzeuge aus Holz - ich ein kleines, er ein größeres. Beide in einem schönen Grau gestrichen. - Ich liebte sie.
Bis April 1977: Ein typischer Geruch in unserem Haus ist der nach Ölfarbe und Terpentin:
Mein Vater malt. Mein Großvater hat auch gemalt. Aber der richtige Maler der Familie ist mein Urgroßvater “Aba” Max Kurth (1869-1962, Maler, Porträt-, Kirchenmaler). Einige seiner kleinen Bilder hingen bei uns im Haus. Für mich war es als Kind eher wichtig, dass ich viele Stifte und Papier hatte. - Malen ging immer.
Bis Anfang 1988: Es war immer klar - ich würde Biologie studieren.
Ich frage mich, woher kommen diese Kindheitsträume? Ich hatte Astronaut, Goldschmied und Biologe zu Auswahl. In meiner Erinnerung bin ich auch immer mega gut in Biologie. Wenn ich mir heute die Zeugnisse ansehen, sind die Noten in Kunst besser. Kurz vor dem Abitur trifft mich diese Erkenntnis hart: Mein Numerus Clausus reicht nicht für das Biostudium!
Anfang 1988: Bis heute weiß ich nicht, woher der Berufswunsch Goldschmied kam.
Im Arbeitsamt rät mir eine Berufsberaterin: „Goldschmieden ist aussichtslos und man verdient nichts. Werden Sie doch Zahntechniker, da haben Sie auch mit Gold zu tun.“
Es ging mir schon damals nicht um das Gold - und auch weniger um das Geld. - Aber eine Lehrstelle in Berlin zu bekommen, war unmöglich.
Frühjahr 1988: Meine Mutter findet heraus, dass man Schmuck-Design studieren kann.
Dann eben Studium - aber dazu braucht man zuerst eine passende abgeschlossene Ausbildung. Die Katze beißt sich in den Schwanz. Doch meine Mutter findet auch dafür eine Lösung: In Pforzheim entsteht genau in diesem Jahr eine neue Ausbildung: Das Berufskolleg für Schmuck und Gerät an der Goldschmiedeschule Pforzheim.
Frühsommer 1988: In Windeseile brauche ich eine Bewerbungsmappe für die Goldschmiedeschule.
Dabei hatte ich doch noch nie Schmuck gemacht. Ein Volkshochschulkurs hilft ein bisschen. Hinzu kommen Anstecknadeln aus einem Puzzlespiel. Ich fotografiere und zeichne. Freunde müssen Fotomodels sein. Plötzlich beginne ich begreifen, dass ich diese kreativen Dinge schon lange gerne und gut mache. - Ich bestehe die Aufnahmeprüfung!
August 1988 bis Juli 1991: Drei Jahre Berufskolleg - und nie den Wunsch verspürt, etwas anderes zu machen.
Weder der Umzug von Berlin nach Pforzheim, oder die Schwierigkeiten, gute Freunde zu finden, noch eine Depression, können mich davon abhalten, kontinuierlich das Goldschmieden und die ersten Grundlagen der Gestaltung zu lernen. Und mir ist klar, eine Anschlusslehre, um in einem Betrieb zu arbeiten, das wird nicht mein Weg. - Am Ende ist mir klar: Ich will weiterhin das Studium.
1990 bis Sommer 1991: Diesmal bereite ich mich für die Bewerbung bei der FH Pforzheim richtig gut vor:
Ich besuche Aktzeichenkurse. Danach diskutiere ich mit einem Künstler über meine Strichführung und wie ich sie verbessern kann. Ich male im Zoo wilde Tiere. Zu Hause zeichne immer wieder meine linke Hand. Meine Mappe füllt sich und kann schließlich überzeugen. Aber bei der Aufnahmeprüfung werde ich wegen zweidimensionalem Denken abgelehnt. „Versuchen Sie es nächste Semester nochmal.“
Sommer 1991: Unsere Abschlussreise in das neue Bundesland Mecklenburg-Vorpommern verändert alles:
Es ist ein halbes Jahr nach der Wende. Die Goldschmiedeschule Pforzheim hat Kontakte zur Fachschule für Angewandte Kunst (FAK) in Heiligendamm aufgebaut. Dort geht es heiß her, die ehemaligen DDR-Fachschüler wollen, die Schule als Fachhochschule anerkannt wissen. Unsere Klasse beschließt, die Abschlussfahrt des Berufskollegs mit einem Besuch der Schule zu verbinden. - Wir fahren nach Heiligendamm.
August 1991 bis Oktober 1991: Es ist Liebe auf den ersten Blick und erneut ein unglaubliches Glück:
Die Ostsee war schon seit meiner Kindheit mein Traum. Die weißen Häuser am Strand von Heilgendamm, der Wald und die Atmosphäre im Schulgelände - wenn ich doch nur hier studieren könnte. Als mich die Nachricht erreicht, dass die FAK tatsächlich Fachhochschule wird und deshalb noch einmal eine Bewerbung möglich ist, kann mich nichts in Pforzheim halten.
Oktober 1991 bis Juli 1996: Schmuck-Design-Studium unter total kreativen Bedingungen.
Ein Studium soll dem Lernen und dem Ausprobieren dienen. Ein Ausspruch eines Dozenten wurde zum geflügelten Wort: „Befruchten sie sich gegenseitig.”
Traditionelle Feiern, Mehrbettzimmer, Kunst, Campus-Situation, das Meer, Schmuck, das kleine Dorf, keine Telefonzelle in dem ersten Jahr, konzentriert Arbeiten, Praktikum in Hildesheim, Demonstrieren, Lernen, Feiern und Einsamkeit am Strand - der Platz reicht nicht aus, um das Leben und Studieren in Heiligendamm zu beschreiben.
Juli 1996: Ich habe meine mündliche Diplom-Prüfung im Münster von Bad Doberan:
Vier Monate arbeite ich an meinem Diplom: „Eine freie Adaptation der Ornamentik der Zisterzienser in modernen Schmuck“. 7 aufwendige Schmuckstücke in Silber entstehen. Ich verwende Sondertechniken, wie Emaillieren, Niello und Schweißen. Für die Präsentation nähe ich vier Kleidungsstücke für meine Models und baue ein Regal. Die Verteidigung genannte Präsentation gestalte ich wie eine Führung durch das Münster. - Ich bin Diplom-Designerin (FH).
Ab August 1996: Start meiner Selbstständigkeit:
Wie schon nach der Goldschmiedeschule hatte ich kein Bedürfnis in einem Goldschmiede-Betrieb oder der Schmuck-Industrie angestellt zu arbeiten. Ich hatte inzwischen zu viele Ideen und Träume im Kopf. Und wenn ich etwas Nützliches in all der Zeit gelernt habe, dann ist es das selbstständige Arbeiten. Sich selbst motivieren. Immer wieder aufstehen und weitermachen. Immer neue Ideen und Schmuck entwerfen.
Heute:
Ich bin glücklich, dass ich nicht Bio-Chemie auf Ingenieurswesen nach langer Wartezeit im Labor studiert habe. Ich wäre jetzt ein anderer Mensch.
Das Leben als selbstständige Schmuckdesignerin ist nicht einfach. Der große Wohlstand hat sich tatsächlich noch nicht eingestellt. Aber ich möchte nichts anders mehr tun. Den das Goldschmieden und das Schmuck-Design lassen mich meine Kreativität voll ausleben. Und inzwischen kann ich mir ein Leben ohne Kreativität nicht vorstellen.
Dieser Blogartikel ist in der Blogparade Boomboomblog 2022 von Judith Peters alias Sympatexter entstanden. Vielen Dank für diese großartige Challenge.